Wie ökosozial ist die Steuerreform?

Der Titel „ökosoziale Steuerreform“ führt uns zunächst zur ökologischen Komponente der Steuerreform. Schon seit mehreren Jahren werden Forderungen nach einer CO2-Bepreisung laut. Das Ziel dahinter: CO2-Ausstoß soll einen Preis bekommen und damit teurer werden. So sollen die Kosten der Klimakrise stärker von denen getragen werden, die sie auch weiter befeuern. Gleichzeitig sollen höhere Kosten aber auch zu einer Reduktion des Treibhausgasausstoßes führen. Dazu muss der CO2-Preis allerdings hoch genug sein. Er sollte anfangs bei zumindest 50–60 Euro pro Tonne CO2 liegen und dann über die nächsten 10 Jahre deutlich – auf 100–150 Euro – ansteigen. Gleichzeitig verlangt eine CO2-Steuer nach treffsicheren sozialen Ausgleichsmechanismen, um besonders Haushalte mit niedrigem Einkommen zu unterstützen. Auch Haushalte ohne gute Öffi-Anbindung und MieterInnen müssen gezielt entlastet werden, denn sie können der CO2-Steuer nicht ausweichen. Mangels öffentlicher Verkehrsmittel sind sie oft auf das Auto angewiesen. MieterInnen können nicht über ihr Heizsystem entscheiden – die Wahl obliegt den VermieterInnen. Eine solche Reform wäre dann im wahrsten Sinne des Wortes „ökosozial“ – also ökologisch sinnvoll und gleichzeitig sozial abgefedert. Die CO2-Steuer wurde nun bei 30 Euro angesetzt. Auch wenn es prinzipiell als erster wichtiger Schritt gesehen werden kann, ist diese Steuer viel zu niedrig, um irgendwelche substanziellen Lenkungsmechanismen entfalten zu können. Eine Preissteigerung von 7 bis 9 Cent pro Liter Benzin bzw. Diesel wird zu keiner Verkehrswende führen, insbesondere wenn man lieber weiterhin Autobahnen, statt regionale Öffi-Verbindungen, ausbaut.

Einkommensteuersenkung für wen?

Erklärtes Ziel war zudem eine Unterstützung der kleinen und mittleren Einkommen. Die Senkung der unteren drei Einkommenssteuersätze erreicht die BezieherInnen von kleinen Einkommen allerdings überhaupt nicht. Gleichzeitig bescherte die bereits heuer erfolgte Senkung des niedrigsten Steuersatzes von 25 auf 20 Prozent allen (einschließlich Manager-Millionengehältern), die genug verdienen, Einkommensgewinne. Die für 2022 und 2023 geplante Senkung der höheren Steuersätze betrifft nur die obere Hälfte der Einkommensverteilung. In maximalem Ausmaß profitiert man von der Steuersenkung erst ab einem Bruttomonatseinkommen von über 6.000 Euro. Diese Gruppe zahlt dann pro Jahr rund 1.580 Euro weniger Einkommensteuer, während man mit einem mittleren Einkommen pro Jahr mit rund 700 Euro mehr aussteigt – und das auch nur weil zusätzlich zur Einkommensteuer auch noch die Sozialversicherungsbeiträge für niedrige Einkommen gesenkt wurden und Verkehrs- und PensionistInnenabsetzbetrag gemeinsam mit der Sozialversicherungsrückerstattung erhöht wurden.

Steuersenkung für Großunternehmen

Auch eine Senkung der Körperschaftsteuer wurde angekündigt. Gewinne von Aktiengesellschaften und GmbHs – jene Unternehmen, die der KöSt. unterliegen – sollen in Zukunft nur noch mit 23 Prozent statt mit 25 Prozent besteuert werden. Die Senkung kostet rund 800 Mio. Euro pro Jahr. Diese 800 Mio. Euro werden sehr ungleich zwischen den Unternehmen verteilt werden. Auf 2 Prozent der körperschaftsteuerpflichtigen Unternehmen entfallen rund 75 Prozent der Steuersenkung. Dabei ist das Hauptargument, dass Unternehmenssteuersenkungen zu erhöhter Wirtschaftsleistung und Investitionen führen würden, durch die empirische Wirtschaftsforschung nicht gedeckt. Andere Instrumente, wie zum Beispiel zeitlich begrenzte vorzeitige Abschreibungen auf eng definierte grüne Investitionen, wären deutlich effektiver und budgetschonender.

ausgesparte Vermögenssteuern

Das wahre Reformpotenzial wurde leider auch bei dieser Steuerreform nicht gehoben. Denn noch immer werden Arbeit und Vermögen in Österreich sehr ungleich besteuert. Der Faktor Arbeit kommt in Österreich für acht, Vermögen nur für einen von zehn Steuer-Euros auf. Die Corona-Staatshilfen zur Rettung von Unternehmensvermögen werden also vor allem von den Arbeitnehmern bezahlt. Eine moderate Vermögenssteuer könnte für etwas mehr Steuergerechtigkeit sorgen. Eine Mehrheit in der Bevölkerung ist bereits dafür. Ebenso könnte man mit der Wiedereinführung einer Erbschaftssteuer einen historischen Fehler wiedergutmachen. Potenzial dafür gäbe es genug: In den nächsten drei Jahrzehnten sollen geschätzt knapp 600 Milliarden Euro vererbt werden – und das komplett steuerfrei.

Mehr Mut für Zukunft

Prinzipiell positiv ist zu bewerten, dass der geplante Klimabonus gerade auch Menschen mit einem niedrigen Einkommen zugutekommt. Ein sozial gestaffelter Klimabonus, der in stärkerem Maße Haushalten mit niedrigem Einkommen zugutekommt, gemeinsam mit einer Unterstützung für MieterInnen wäre allerdings um einiges treffsicherer gewesen. Es fehlt der CO2-Steuer durch die niedrige Höhe an Biss. Große Lenkungseffekte werden sich daraus nicht ergeben. Das bedeutet mehr Druck auf andren klimapolitischen Maßnahmen, wie Verbote & Gebote, sowie Klimaschutzinvestitionen. Mit der Einkommensteuerreform hat man zudem keineswegs gezielt die kleinen und mittleren Einkommen unterstützt, sondern vielmehr die obere Mittelschicht. Statt einer KöSt. Senkung hätte man eher die Steuerstruktur reformieren und endlich Vermögen stärker zur Kasse bitten sollen. Für die großen Herausforderungen der Zukunft, allen voran der Klimakrise, wird es mehr Mut benötigen.

 

Joel Tölgyes hat Public Economics an der Freien Universität Berlin studiert. Er beschäftigt sich besonders mit Steuer- und Budgetpolitik und Klimaökonomie. Für Analysen greift er auch auf Mikrodaten zurück, wie beispielsweise in seiner Masterarbeit über die Verteilungswirkung von CO2-Steuern. Außerdem lehrt er auf der Wirtschaftsuniversität Wien.

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