Corona - Gefahr einer verlorenen Generation?

Die Restriktionen der Bundesregierung zur Eindämmung des Corona-Virus haben am Arbeitsmarkt zu großen Verwerfungen geführt. Aus früheren Rezessionen ist bekannt, dass junge Menschen als erstes und besonders stark betroffen sind. In den letzten Monaten stieg die Jugendarbeitslosigkeit auf ein historisches Rekordniveau. Es sollte daher ein umfassendes Jugendrettungspaket geschnürt werden, da sich durch den Eintritt der SchulabsolventInnen in den Arbeitsmarkt über den Sommer die Situation nochmals verschärfte. 

Wirtschaftseinbruch: Jugend ohne Jobs 
Betriebe stellen bei Wirtschaftseinbrüchen weniger neue Arbeitskräfte ein, wodurch sich die Jobchancen für neue SchulabsolventInnen reduzieren. Ebenso verknappt sich das Angebot an offenen Lehrstellen. Junge Menschen sind aber auch häufiger von Kündigungen betroffen. Für Betriebe scheinen die Kosten geringer zu sein, wenn sie jüngere MitarbeiterInnen kündigen, da sie weniger in deren Weiterbildung investiert haben als bei älteren. Außerdem verfügen jüngere Beschäftigte in der Regel über einen schwächeren Kündigungsschutz als ältere ArbeitnehmerInnen (last in, first out), beispielsweise durch kürzere Kündigungsfristen bei kürzerer Betriebszugehörigkeit. Auf Basis von OECD-Daten zeigt sich im Zeitraum 1970 bis 2009, dass ein Anstieg der Arbeitslosigkeit von einem Prozent bei Personen im Haupterwerbsalter einen Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit von 1,8 Prozent bedeutet. Auch während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 waren junge Menschen von Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich betroffen. Laut Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) soll es heuer in Österreich voraussichtlich zu einem Rückgang des realen Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 7 Prozent kommen. Es ist daher von einem drastischen Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit auszugehen. 

Historisch hohe Jugendarbeitslosigkeit 
Laut WIFO sank aufgrund des Arbeitsmarktschocks durch Corona die Beschäftigung bei jungen Menschen (unter 25-Jährige: –36.538 bzw. –8,6 Prozent) am stärksten. Im März 2020 waren fast 90.000 junge Menschen (unter 25 Jahre) in Österreich entweder arbeitslos (57.275), in Schulung (25.187) oder auf Lehrstellensuche (7.107). Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies, dass sich die Anzahl der Arbeitssuchenden (arbeitslos, in Schulung oder auf Lehrstellensuche) um 26.036 junge Menschen bzw. um 41 Prozent erhöht hat. Historisch gesehen ist das ein absoluter Höchstwert. 

Negative Folge von Jugendarbeitslosigkeit 
Die Jugendphase ist ein sensibler Lebensabschnitt, geprägt von Sozialisation und Identitätsfindung. Erwerbstätigkeit und (Aus-)Bildung spielen hier eine wesentliche Rolle. Auf der anderen Seite können längerfristige Arbeitslosigkeitserfahrungen Narben (sogenannte scarring effects) bei Jugendlichen hinterlassen, die im späteren Leben noch zu einer geringeren Lebens- und Arbeitszufriedenheit, zu einem schlechteren Gesundheitszustand, geringeren Einkommenschancen und zu einem erhöhten Arbeitslosigkeitsrisiko führen. So wurde beispielsweise gezeigt, dass eine Arbeitslosigkeitsdauer von sechs Monaten im Alter von 22 Jahren zu einem geringeren Stundenlohn von 8 Prozent im Alter von 23 Jahren führt. Im Alter von 26 Jahren liegt der Lohn um 5 Prozent und im Alter zwischen 30 und 31 Jahren immer noch um 2 bis 3 Prozent niedriger als bei Jugendlichen ohne Arbeitslosigkeitserfahrungen. In Bezug auf den Gesundheitszustand kann von einem „Teufelskreis“ in Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit ausgegangen werden. Zum einen sind junge Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit einem höheren Arbeitslosigkeitsrisiko konfrontiert. Zum anderen kann längere Arbeitslosigkeit den Gesundheitszustand negativ beeinflussen, was wiederum die Arbeitsmarktchancen verschlechtert. Auch hier sind die negativen Folgen sehr langfristig nachweisbar. So kann ein negativer Einfluss von Arbeitslosigkeit im Jugendalter auf das gesundheitliche Wohlbefinden noch im Alter von 50 Jahren nachgewiesen werden. 

Neben den individuellen Folgen verursacht Jugendarbeitslosigkeit auch hohe volkswirtschaftliche KostenLaut Berechnungen des Soziologen Johann Bacher (JKU) belaufen sich die volkswirtschaftlichen Kosten aufgrund der dauerhaften (über sechs Monate) Nichtintegration von 43.500 Jugendlichen ins Ausbildungs- und Beschäftigungssystem (NEET) auf 775 Millionen pro Jahr in Österreich. 

Politisches Engagement ist gefragt
Die Vermeidung von Jugendarbeitslosigkeit sollte daher politisch höchste Priorität haben, nicht nur aufgrund der individuellen Schicksale, der gesundheitlichen Schäden und der volkswirtschaftlichen Kosten, sondern vor allem aufgrund der politischen und sozialen Risiken. Die Corona-Krise erfordert vermutlich auch unorthodoxe Maßnahmen. In diesem Sinne könnte überlegt werden, die Schulpflicht um ein Jahr zu verlängern. Durch diese Art der Verkürzung der Lebensarbeitszeit wäre sofort der Arbeitsmarkt entlastet und ein struktureller Rahmen geschaffen, um soziale Benachteiligungen durch die Corona-Schulschließungen auszugleichen und die „Ausbildungsreife“ der Jugendlichen zu erhöhen. Zudem sollten Jugendliche und junge Erwachsene in die Planung und Umsetzung von Maßnahmen einbezogen werden, um die Treffsicherheit und Teilnahmebereitschaft zu erhöhen und Demokratie zu fördern. 

Zur Person
Dr. Dennis Tamesberger ist Referent für Arbeitsmarktpolitik in der Abteilung Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftspolitik der Arbeiterkammer OÖ und Mitherausgeber der Zeitschrift Momentum Quarterly – Zeitschrift für sozialen Fortschritt. 

 

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