"Ein starker Staat, der Sicherheit bietet"

Bruno traf sich Mitte April mit der SPÖ Landesvorsitzenden Birgit Gerstorfer zum Interview. Dabei stand das Corona-Virus, seine Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und wie die Welt nach Corona aussehen wird im Mittelpunkt

Die aktuelle Krise hat an vielen Orten ein Nachdenken darüber ausgelöst, wie die Welt nach Corona aussehen wird. Wie siehst du die Zukunft?

Gerstorfer: Ich denke wir müssen die Art wie wir leben, wie wir arbeiten und wie wir wirtschaften auf neue Beine stellen. Was Corona ausgelöst hat, hat in vielen Bereichen zu menschlichen Katastrophen geführt. Die einen haben gerade einen Knochenjob mit hohem Risiko in den Spitälern, Pflegeheimen, Geschäften etc., andere sind in Kurzarbeit, 600.000 Menschen sind arbeitslos und wissen oft nicht mehr, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. Oder sie haben ein kleines Unternehmen, haben monatelang keine Umsätze und können kaum einschlafen vor Sorge. Und jetzt bin ich immer noch nicht bei der eigentlichen Antwort…

Kein Problem, wir haben Platz und Zeit.

Gerstorfer: Danke! Aber es ist wichtig sich vor Augenzuführen, wie brüchig vieles ist, um ein Bild der Zukunft skizzieren zu können. Wir müssen nach all den Jahren der Deregulierung und des vermeintlichen Sparzwanges wieder für einen starke Staat sorgen der Sicherheit bietet. Ein Staat, der lieber zu viele als zu wenige Spitalsbetten hat, ein Staat, der die medizinische Grundversorgung garantiert und im Weiteren einer ist, der sich nicht als Konkurrent von anderen begreift. Wir sind eine Weltgemeinschaft, und Corona hat uns das deutlich aufgezeigt: Ein Virus macht keinen Halt vor natürlichen oder politischen Grenzen. Wenn wir global kooperieren, können wir vieles meistern! Daran gilt es zu denken, wenn wir Oberösterreich, aber auch die Welt nach der Krise neu aufbauen und gestalten. 

Der Tag der Arbeit steht vor der Tür, wie wird sich die Arbeitswelt ändern?

Gerstorfer: Ich denke, wir werden an einer Regionalisierung der Wirtschaft und einer Re-Industrialisierung nicht vorbeikommen. Es ist ja nicht von Gott gegeben, dass Produkte mehrmals um den Erdball geschickt werden müssen oder Know-How in andere Teile der Welt abwandert. Hier kann eine starke Weltgemeinschaft, ein starker Staat regulierend eingreifen und Rahmenbedingungen schaffen. Auch die Verteilung und die Bezahlung von Arbeit braucht eine Neuaufstellung. Schauen wir uns an, wem wir in der Krise applaudieren und wie schlecht diese Menschen oft bezahlt sind und wie viele Stunden sie oft täglich arbeiten müssen. Hier ist ein besserer, gerechterer Ausgleich unabdingbar. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Arbeitszeiten müssen kürzer und die Löhne höher werden.

Kritiker würden nun sagen: Das können wir uns alles nicht leisten, wir müssen alle unseren Beitrag leisten.

Gerstorfer: Entschuldigung, aber da werde ich auch ein bisschen wütend: Viele Menschen leisten gerade Herausragendes. Die wahren Leistungsträger unserer Gesellschaft sind mitten unter uns. Die Allgemeinheit schultert jetzt schon Vieles, mehr als zwei von drei Erwerbstätigen in Österreich sind von der Coronakrise erheblich bis sehr stark betroffen. Wir dürfen uns daher nicht scheuen, eine Gerechtigkeitsdebatte zu führen. Wir müssen die Fragen stellen: Was ist der Beitrag der großen Internet-Online-Konzerne, die von der Krise profitieren und bisher so gut wie keine Steuern zahlen? Was ist der Beitrag der Banken, die 2008 und 2009 sehr viel öffentliches Geld bekommen haben, um gerettet zu werden?

Wird es nach der Krise also eine Verteilungsdebatte geben?

Gerstorfer: Ich bin da ganz bei unserer Parteivorsitzenden, wenn sie sagt: Wir müssen eine neue Gerechtigkeitsdebatte führen, und zwar ohne Tabus. Allein die 10 reichsten Österreicher haben mehr Vermögen als für das Corona-Paket im Bund veranschlagt sind. Wir haben es nach der Krise 2009 verabsäumt uns von neoliberalen Dogmen zu verabschieden. Wir müssen es als Sozialdemokratie schaffen, dass auch nach der Krise nicht vergessen wird, wie wichtig ein starker Staat ist der Ausgleich schafft, alle mitnimmt. Und da müssen alle ihren Anteil leisten – auch die Superreichen. Wir werden aber auch darüber diskutieren müssen, wie die Finanzströme geordnet sind.

Das hört sich jetzt aber trocken an, was meinst du damit?

Gerstorfer: In der aktuellen Krise sind es die Gemeinden und ihre MitarbeiterInnen, die dafür sorgen, dass die grundlegenden Bedürfnisse auch weiterhin möglichst reibungslos gedeckt werden. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Daseinsvorsorge erfordert enormen menschlichen, administrativen und in letzter Instanz auch einen sehr hohen finanziellen Aufwand. Genau in diesen Bereichen gehen die Gemeinden in Oberösterreich zurzeit an ihre Grenzen. Die finanzielle Schieflage zwischen Land Oberösterreich und den Gemeinden ist ein grundliegendes Problem. Die Belastung der oberösterreichischen Städte und Gemeinden ist im Bundesländervergleich bereits jetzt überproportional hoch. Es wird auch hier einen New Deal von Ländern, Städten und Gemeinden geben müssen. Ich unterstütze daher unsere BürgermeisterInnen, die die das gerade sehr stark thematisieren. 

 

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