„Es braucht mehr soziale Durchlässigkeit"
Wissenschafts- und Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner im Gespräch
Sie haben an der Johannes Kepler Universität Linz studiert – welche Bedeutung hatte diese Zeit für Sie?
Die Zeit an der JKU hat mich sehr geprägt. Einerseits, weil mir das Studium unglaublich viel gelehrt hat, nicht nur inhaltlich, sondern weil die Vielfalt der Johannes Kepler Universität und ihrer Studierenden viele verschiedene Blickwinkel vermittelt haben. Die Herausforderungen bei der Vereinbarkeit von Studium und Beruf, viele pendelnde Studierende, die Ausgestaltung des Studiums an sich - in der Studienvertretungsarbeit und im Gespräch mit den Kolleg:innen lernt man all das und noch viel mehr kennen. In der Politik finde ich es zentral, über den Tellerrand der eigenen Lebensrealität hinaus zu blicken.
Wie schätzen Sie die aktuelle Uni- und FH-Landschaft in Oberösterreich ein?
Oberösterreich ist im hochschulischen Bereich sehr gut aufgestellt. Die JKU hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt, auch die Fachhochschule Oberösterreich. Mit der IT:U wurde eine weitere Einrichtung geschaffen. Gleichzeitig müssen wir aber dranbleiben: Chancengleichheit darf kein Zufallsprodukt sein. Es braucht mehr soziale Durchlässigkeit, damit Studieren nicht von den finanziellen Möglichkeiten des Elternhauses abhängt, mehr Unterstützung für Studierende mit Betreuungspflichten, verschiedene Karrieremöglichkeiten für Wissenschaftler:innen und vor allem eine aktive Gleichstellungspolitik, damit Frauen in allen Bereichen der Wissenschaft selbstverständlich mitgestalten.
Welche Rolle spielen Frauen in der oö. Hochschullandschaft?
Es gibt hier durchaus positive Role Models, wie etwa Brigitte Hütter, die als Rektorin der Kunstuniversität Linz auch Präsidentin der Österreichischen Universitätenkonferenz ist, oder die Vizerektorin für Medizin an der JKU Elgin Drda. Besonders hervorheben möchte ich auch die großartige wissenschaftliche Arbeit von Professorin Doris Weichselbaumer, die das Institut für Frauen- und Geschlechterforschung an der JKU leitet. Dennoch gibt es noch viel zu tun: es gibt viele großartige Wissenschafterinnen und engagierte Studentinnen in Oberösterreich, sie stoßen aber immer noch zu oft an gläserne Decken. Die Leaky Pipeline ist real - es studieren mehr Frauen als Männer, aber je weiter man in der Wissenschaftshierarchie nach oben blickt, desto weniger Frauen findet man. Als Ministerin ist es mir deshalb ein zentrales Anliegen, Gleichstellung an Hochschulen nicht nur zu fordern, sondern aktiv zu ermöglichen.
Ein prominentes Projekt ist IT:U in Linz – wie sehen Sie den neuen Standort?
Es werden aktuell verschiedene Standorte geprüft. Hierzu stehe ich im engen Austausch mit Landeshauptmann Thomas Stelzer und dem Linzer Bürgermeister Dietmar Prammer. Wichtig ist dabei, dass Synergien möglichst gut genutzt werden können.
In Ihrem Ressort Frauen, Wissenschaft und Forschung arbeiten Sie an der Schnittstelle zwischen gesellschaftlichem Wandel und konkreter Politik. Was sind aktuell Ihre wichtigsten Projekte?
Zwei Schwerpunkte sind gerade sehr aktuell. Erstens: Gewaltschutz. Wir konnten bereits den Startschuss für den Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen setzen. Ein Meilenstein! Ganz konkret haben wir mit dem neuen „Dick-Pic-Paragrafen“ bereits eine klare gesetzliche Handhabe gegen unerwünschte Zusendungen von Genitalbildern geschaffen. Das ist ein großer Fortschritt, besonders für junge Frauen.
Zweitens: internationale Solidarität. Wir sehen derzeit, dass in den USA Forschung und Lehre zunehmend unter politischen Druck geraten. Deshalb haben wir mit dem Perspektivenpaket konkrete Maßnahmen für Studierende und Forschende, die bei uns Schutz und Perspektive suchen, entwickelt. Österreich ist ein sicherer Hafen für freie Wissenschaft – und das soll so bleiben. Es gilt dabei auch als Europa mit einer starken Stimme zu sprechen!
All diese Projekte kosten Geld - wie ist das mit dem aktuellen Sparbudget vereinbar?
Wissenschaft und Forschung sind die Säulen einer erfolgreichen Zukunft. Wer heute bei den Hochschulen und der Forschung kürzt, gefährdet den Wohlstand und die Innovationskraft von morgen. Wir sind deshalb in ganz enger Abstimmung mit den Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen bzgl. der budgetären Lage und arbeiten gemeinsam transparent an Lösungen, die für alle verkraftbar sind. Wir konnten die Leistungsvereinbarungen für die Universitäten absichern, genauso wie bisherige Ausbauschritte und Valorisierungen für die Fachhochschulen.
Ein gemeinsames Ziel der Bundesregierung ist, mit klugen Sparmaßnahmen heute, morgen Spielräume für Investitionen zu schaffen.
Was motiviert Sie persönlich in Ihrer Arbeit als Ministerin?
Ministerin sein zu dürfen, erfüllt mich mit großer Demut. Das allein gibt mir viel Kraft. Mein Anspruch ist es, dass das Leben für die Menschen in den kommenden 5 Jahren spürbar leichter wird als es heute ist. Wir werden alles dafür tun, dass Wissenschaft und Forschung frei bleiben, sowie gestärkt werden.
„Wissenschaft braucht Freiheit, Gleichstellung braucht Mut“
Eva-Maria Holzleitner ist seit März 2025 Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung.
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