„Die Impfung ist der Schlüssel zu einem normalen Leben“

Corona hält uns jetzt schon über ein Jahr in Atem. Was muss aus deiner Sicht getan werden, damit wir da rauskommen?

Pamela Rendi-Wagner: Um gut und sicher durch die nächsten Monate zu kommen, sind zwei Dinge besonders wichtig: viel testen und viel impfen. Beim Impfen muss das Motto jetzt heißen „Turbo statt Schneckentempo“. Denn mit jeder Impfung schützen wir das Leben von Menschen, aber auch Wirtschaft und Arbeitsplätze!

Faktum ist, dass wir von einer breiten Durchimpfung weit entfernt sind. Was heißt das fürs Testen?

Rendi-Wagner: Derzeit kommt vieles zusammen, was sich negativ auswirkt: zu viele Infektionen, weil die Regierung Anfang Februar zu früh gelockert hat, zu wenig Impfstoff und ein viel zu langsamer Impffortschritt. Daher ist jetzt Vorsicht das Allerwichtigste, damit die Situation nicht außer Kontrolle gerät. Hier sind die freiwilligen, kostenlosen und einfach anzuwendenden Wohnzimmertests, die ich durchgesetzt habe, besonders wichtig. Jeden Monat können mit der E-Card fünf Gratis-Wohnzimmertests in der Apotheke abgeholt werden. Die Regierung muss jetzt sicherstellen, dass diese Tests auch in genügender Zahl zur Verfügung stehen. Denn regelmäßig zu testen, heißt, Infektionsketten rasch zu durchbrechen – und das macht letztlich auch das Contact Tracing einfacher.

Du hast gesagt, dass beim Impfen der Turbo eingeschaltet werden muss. Warum ist das so wichtig?

Rendi-Wagner: Österreich hinkt bei den Impfungen immer noch hinterher. Da müssen wir schnell nach vorne kommen und Tempo zulegen. Denn die Corona-Impfung ist unsere große Chance, diese Pandemie zu bewältigen. Und sie ist auch der Schlüssel zur Freiheit und zu einem normalen Leben. Wir müssen daher so rasch und so viel impfen wie möglich. Wenn ein großer Teil der Bevölkerung geimpft ist, könnten wir einen Herdenschutz erreichen. Jeder verlorene Tag beim Impfen erhöht außerdem das Risiko von gefährlichen Virusmutationen. Die Regierung muss endlich genügend Impfstoff besorgen statt wertvolle Zeit damit zu verplempern, darüber zu streiten, wer schuld am Impfchaos ist. Die Menschen interessiert das Streiten zwischen ÖVP und Grünen nicht, sie wollen geimpft werden und ihr gewohntes Leben zurückhaben. Der Bevölkerung ist völlig egal, wer woran schuld ist und wer was unterschrieben hat. Ihnen ist nur wichtig, dass sie zu einer Impfung kommen.

Was ist jetzt aus deiner Sicht in Sachen Impfstoffe zu tun?

Rendi-Wagner: Da sind zwei Aspekte wichtig. Das eine ist, dass die Impfstoffe, die schon hier bei uns im Land sind, nicht gebunkert werden dürfen, sondern rasch und effizient verimpft werden müssen. Dafür braucht es eine durchdachte und funktionierende Impfstrategie. Ich habe von Anfang an gesagt, dass dazu eine zentrale Steuerung, eine zentrale Organisation gehört und nicht ein Fleckerlteppich von neun verschiedenen Impfstrategien, wodurch wir nicht die Klarheit, Effizienz und Geschwindigkeit haben, die jetzt so wichtig wäre.

Und wie sollen wir dem Impfstoffmangel begegnen?

Rendi-Wagner: Ich denke, dass der derzeitige Weg, also der europäische Weg, einer ist, den wir grundsätzlich auch weiter gehen sollten. Aber wir müssen auch mittel- und langfristig denken und auf internationale Produktionsengpässe reagieren können. Wenn wir genügend Impfstoffe für die österreichische Bevölkerung zur Verfügung haben wollen, müssten wir diese auch bei uns im Land herstellen. Daher soll der Staat die Produktion gezielt fördern, zum Beispiel mit einem nationalen Corona-Impffonds. Wir sollten endlich von der Abhängigkeit von ein paar wenigen großen internationalen Pharmafirmen wegkommen und die Impfstoffproduktion auf verlässliche und sichere Beine stellen – mit einer unabhängigen, rot-weiß-roten Impfstoffproduktion.

Wir haben jetzt viel über die technischen Seiten des Impfens gesprochen. Zum Abschluss eine persönliche Frage: Hast du dich, als Ärztin, eigentlich schon impfen lassen?

Rendi-Wagner: Vorweg: Ich lasse mich natürlich impfen, diese Chance lasse ich mir nicht entgehen. Als Ärztin habe ich zwar im Jänner ein Impfangebot bekommen, aber ich hätte es – auch angesichts der Impfstoffknappheit – als unmoralisch empfunden, vor Älteren und HochrisikopatientInnen dranzukommen. Ich lasse mich impfen, sobald genügend Impfstoff da ist und ich an der Reihe bin.

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