Steuerfreies Erben verfestigt Ungleichheiten

Die Erbschaftssteuer wurde in Österreich vor mehr als zehn Jahren abgeschafft und somit zählt Österreich ne-ben z.B. Zypern, Estland, Lettland, Malta zu einem der wenigen Länder innerhalb der EU, in denen Erbschaften nicht besteuert sind. Seit der Abschaf-fung wird immer wieder über eine Wiedereinführung debattiert – die Argumente dagegen halten einer inhaltlichen und wissenschaftlichen Prüfung jedoch in vielen Fällen nicht stand. Dennoch finden diese Argumente gegen eine Erb-schaftssteuer in breiten Kreisen der Gesellschaft Gehör.

Wer ist von der Steuer betroffen?
Der hohe administrative Aufwand der Erhebung bei gleichzeitig niedrigem Steuerertrag, die existenzielle Bedrohung von (kleineren) Familienunternehmen oder die ungerechte Mehrfachbesteuerung von familiären Vermögen sind einige Behauptungen gegen die Wieder-einführung einer Erbschaftssteuer, die jedoch empirisch nicht belegbar sind. Tatsächlich ist jedoch heute viel mehr Wissen über das Erbvolumen vorhanden, als noch vor zehn Jahren und es ist bekannt, dass die Einhebung der Erbschaftssteuer – verglichen mit beispielsweise ei-ner Vermögenssteuer – einfach ist. Darüber hinaus sind selbst in Ländern mit einer Besteuerung von Erbschaften nur wenige da-von betroffen, da es in vielen Fäl-len sehr hohe Freibeträge und viele Ausnahmen gibt. Dennoch sind die Einnahmen aus der Besteuerung von Erbschaften nicht zu unterschätzen: Im Jahr 2015 lagen die Einnahmen durch die Erbschaftssteuer in Deutsch-land bei rund 6,3 Milliarden Euro. Das obwohl von den insgesamt 1,6 Millionen Erbfällen jährlich nur 23.000 oder 1,5 Prozent aller ErbInnen besteuert werden. Denn steuerpflichtig ist nur, wer mehr als 500.000 Euro erbt. Daten aus dem letzten Jahr der Erbschaftssteuer zeigen für Österreich, dass die vier größten Erbschaften rund 25 Prozent des gesamten Erbschaftssteueraufkommens ausgemacht haben. Dadurch wird deutlich, dass einige wenige sehr viel zum Gemeinwohl innerhalb der Gesell-schaft beitragen könnten. Zudem ergeben aktuelle Schät-zungen, dass das jährliche Erbschaftsvolumen von rund 10 Mrd. Euro im Jahr 2015 auf 20 Mrd. Euro im Jahr 2040 steigen wird.

Verfestigung von Ungleichheit
Ob und wieviel jemand erbt hängt sehr stark davon ab, in welche Familie man hineingeboren wurde. So erhält innerhalb der unteren 90 Prozent in der Vermögensver-teilung lediglich jeder dritte Haushalt ein Erbe in Form von Fahrzeugen, Immobilien oder finanziellem Vermö-gen. Die Erbschaft beträgt dabei im Durchschnitt etwa 120.000 Euro. Die Wahrscheinlichkeit einer Erbschaft steigt mit dem Reichtum der Familie. So erben innerhalb der reichsten 10 Prozent drei von vier Haushalten. Durchschnittlich beläuft sich die Erbschaft dabei auf etwa 830.000 Euro. Aufgrund der schlechten Datenerfassung von Vermö-gen ist jedoch davon auszugehen, dass das tatsächliche Erbvolumen weitaus größer ist. Fest steht jedoch, dass Erbschaften in Österreich wesentlich zu ungleicher Ver-mögensverteilung beitragen. Eine Studie des Forschungs-instituts INEQ an der WU Wien gemeinsam mit der AK Wien aus dem Jahr 2016 – die sich mit den Einflüssen erhaltener Erbschaften auf die Vermögensverteilung be-schäftigt – zeigt sogar, dass Österreich zu jenen Ländern in der Eurozone gehört, in denen das Erben einen maß-geblichen Einfluss auf die Vermögensbildung nimmt. Eine Erbschaft in Österreich kann hinsichtlich der Po-sition in der Vermögensverteilung im Durchschnitt mit einem Einkommenssprung über mehr als die Hälfte aller Haushalte verglichen werden. Was bringt eine Erbschaftssteuer?Laut Aufkommensschätzungen bringt die Wiedereinfüh-rung einer Erbschaftssteuer dem österreichischen Staat zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro jähr-lich und kann somit helfen, die Besteuerung von Arbeit weiter zu reduzieren. Insbesondere in Gerechtigkeitsde-batten und Debatten über sozialpolitische Maßnahmen spielt die Leistungskomponente immer wieder eine gro-ße Rolle, etwa in Zusammenhang mit Sozialhilfebezie-herInnen oder geflüchteten Menschen, deren Leistung oft negiert wird. Somit ist die Wiedereinführung einer Erbschaftssteuer bei gleichzeitiger Reduktion der Besteu-erung von Arbeit auch aus dieser Logik heraus schlüssig. Denn das Argument, dass Erben oder die Geburt in eine wohlhabende Familie als Leistung definiert wird, wirkt sehr flach. Die Erträ-ge durch die Erbschafts-steuer könnten ebenso für die Finanzierung eines neuen, nachhaltigen Pflegesys-tems verwendet werden. In Hinblick auf die demogra-phische Entwicklung unserer Gesellschaft sind nicht nur neue Konzepte zur Sicherstellung von Pflege notwendig, sondern auch zur Finanzierung. Die Erbschaftssteuer ist also ein wesentliches Mittel, um Vermögen zu verteilen und eine Gesellschaft gerechter zu gestalten. Der größ-te Profiteur einer gerechten Vermögensverteilung ist die Gesellschaft selbst, denn viele soziale Probleme wie Kri-minalität, Gesundheit, Bildungschancen stehen in einem direkten Zusammenhang damit. Ebenso führt steigende Vermögensungleichheit dazu, dass die Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren und sich nicht mehr beteiligen. Das schadet einer Demokratie, da nicht alle Interessen gleich repräsentiert werden.

zurück