„Der letzte Atemzug kann viel schneller kommen als man denkt!“

JKU-Professor Serdar Sariciftci über die Zukunft der E-Mobilität, Lithium-Ionen-Akkus und CO2-Neutralität.

 

Die E-Mobilität ist in aller Munde und hat in den vergangenen Jahren einen regelrechten Höhenflug hingelegt. Gehört der E-Mobilität die Zukunft?

Sariciftci: Ja, denn ich beobachte einen großen Druck und großes Momentum in der Politik und Gesellschaft für die E-Mobilität und gegen die Dieselmotoren. 

Der Akku ist ein Schlüsselelement, wenn es um die Zukunftsfähigkeit der Elektroautos geht. Welche Entwicklungen sind Ihrer Meinung nach noch erforderlich, damit die derzeitigen Lithium-Ionen-Akkus zu einer echten Konkurrenz zu den bestehenden Verbrennungsmotoren werden?

Sariciftci: Die Energiedichte der Batterien ist noch immer eine bis zwei Größenordnungen kleiner als die Energiedichte eines flüssigen Brennstoffes, wie beispielsweise Benzin oder Diesel. Ein Liter Benzin enthält ca. 10 000-20 000 Wh Energie. Ein Kilogramm Batterie der besten Generation hat ungefähr 100-150 Wh Energie.Eine neue Batterietechnologie (redox flow battery) könnte ein Game Changer werden, da der Austausch der Batterieinhalte eine wesentliche Verkürzung der Ladedauer bewirkt. 

Wie sehen Sie die Gesamtumweltbilanz der Lithium-Ionen-Akkus?

Sariciftci: Lithium ist nicht so viel vorhanden und ExpertInnen sprechen von zukünftigen, weltweiten Lithium-Kriegen. Gäbe es eine gute Recycling-Methode, wäre dieses Problem kleiner. Diese Methode ist aber noch unbekannt. Ansonsten ist die Umweltbilanz von Lithium relativ gut, verglichen mit Bleibatterien oder Nickel-Cadmium-Batterien.

Die E-Mobilität gilt bei vielen in puncto Klimaschutz als eine der großen Hoffnungsträger für eine nachhaltige CO2-Reduktion. Teilen Sie diese Einschätzung?

Sariciftci: Es ist nicht korrekt, dass die E-Mobilität automatisch zum Klimaschutz beiträgt. In Ländern wie Polen oder Estland, wo über 80 % der lokalen Verstromung aus Kohleverbrennung kommt, ist ein E-Auto eine Mehrbelastung der CO2-Bilanz. Jedes Dieselauto der neuesten Generation hat sicherlich eine bessere CO2-Bilanz als ein E-Auto, das mit Kohlestrom fährt. Die wichtigste Frage ist daher "Wo kommt der Strom her?". Kommt der Strom aus erneuerbaren Quellen, so wie derzeit in Österreich, dann ist es in Ordnung und E-Mobilität trägt selbstverständlich zur CO2 Reduktion bei. In anderen Fällen mit Kohleverstromung ist dies genau umgekehrt.

Ist es aus Ihrer Sicht realistisch, dass der zusätzlich benötigte Strom tatsächlich durch weitgehend CO2-neutrale Energieerzeugung gedeckt werden kann?

Sariciftci: Seit Jahren ist die Solarenergie so preisgünstig geworden, dass es keinerlei Ausreden gibt, die Solarenergie nicht einzusetzen. Es sollten alle CO2-neutralen Energieträger wie Solarwärme, Solarstrom, aber auch Solar-Fuels komplett von den Steuern befreit werden, dann wird es schnell gehen, dass ein reiches Land wie Österreich oder Deutschland diese Energiewende schafft. Wenn aber Diesel und Benzin und sogar Kerosin steuerentlastet sind und Solarpaneele steuerbelastet sind (weil sie aus China kommen, Anm.), dann ist es sicherlich nicht möglich, diesen benötigten Strom für die E-Mobilität von der Sonne zu bekommen. Die Industrie wird bis zum letzten Atemzug auf den fossilen Energieträger beharren, da diese Wirtschaftsbranche sehr dominant ist. Aber dieser letzte Atemzug kann viel schneller kommen als man denkt – Stichwort: Röhrenfernseher.

 

Zur Person:
Univ.-Prof. Mag. Dr. DDr. Serdar Sariciftci ist ein türkisch-österreichischer Physiker und Institutsvorstand des Instituts für Organische Solarzellen (LIOS) an der JKU Linz. 

 

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